Flugangst

 

 

 

 

 

 

 

der Auslöser für diese Geschichte liegt schon ein paar Jahre zurück, als ich mit den Teilnehmern meines Seminars von Stuttgart nach Kavala flog, um auf der griechischen Insel Thassos ein zweiwöchiges Selbsterkennungs-Seminar abzuhalten. Schon als wir in der Maschine Platz nahmen fiel mir Ingy auf, die stur auf ihre Hände starrte , die sich in die Handtasche auf ihrem Schoss gekrallt hatten. Als wir in der Luft waren und das anschnallen Zeichen erloschen war, ging ich zu Ingy und fragte, ob alles in Ordnung wäre Oh mir ist so mulmig, ich bin doch noch nie geflogen,  eine Frau im hinteren Teil des Fliegers die sich würgend erbrach, konnte Ingy auch nicht gerade aufbauen.  Ich fragte sie: „ hast du Angst vorm Fliegen?“ Ihre Antwort bestand nur aus einem leichten Kopfnicken. Jetzt kam meine ultimative Flugangstbewältigungs-Strategie speziell für Schwaben zum Einsatz, die ich schon öfters mit lachendem Erfolg bei meinen Gesprächspartnern angewendet hatte: „ gehört dir das Flugzeug?“ Sie verzog nur das Gesicht und schüttelte etwas den Kopf.  Ja dann brauchst du doch auch keine Angst haben!“ Darüber konnte Ingy nicht lachen, sie war ja auch keine echte, eingeborene Schwäbin, sondern eine aus Australien 

eingewanderte, Wahl-Schwäbin. Nun, Irgendwann landeten wir und rollten in Richtung des kleinen Terminals. Die arme Frau im hinteren Bereich, würgte und erbrach sich immer noch. Ich ging zu ihr hin und sagte tröstend zu ihr: jetzt haben sie es ja überstanden. Obwohl sie ja eigentlich nichts mehr im Magen haben konnte, antwortete sie mir abgehackt und durch quälendes Erbrechen unterbrochen: noch! Quurrrgstehen    Quurrrg,    wir   Quurrrg,  nicht!

 

Ingy ging es den Umständen entsprechend einigermaßen, aber sie sagte gleich, dass es ihr schon jetzt vor dem Rückflug grauen würde. Während des Seminars versprach ich Ingy, dass ich garantiert eine Lösung für sie hätte, damit sie auf dem Rückflug keine Angst haben würde. So ganz glaubte sie mir nicht, aber wie man so schön sagt, die Hoffnung stirbt zuletzt.

 

Die Tage des Seminars verflogen unglaublich schnell und beim Rückweg auf der Fähre von Thassos nach Kavala zum Flughafen, beichtete mir Ingy, dass sie das Seminar überhaupt nicht genießen hätte können, weil sie ständig so Schiss vor dem Rückflug gehabt hätte. Okay, ich verabredete mit Ingy, dass sie sich einfach ganz auf mich verlassen solle. Für den Rückflug buchte ich für Ingy einen Fensterplatz recht weit vorne und für mich den Platz neben ihr. Sobald wir uns angeschnallt hatten nahm ich Ingy`s Hand und drückte sie fest. So Ingy, jetzt folge einfach meinen Anweisungen, sagte ich zu ihr. Schau aus dem Fenster und stelle dir vor, du wärst ein Albatros, du weist doch der Albatros ist ein großer, schwerer Vogel mit unglaublich großen Flügeln und du hast vielleicht schon einen Film oder Video gesehen, wie mühsam es für diesen großen  Vogel ist, zu starten oder zu landen. Vielleicht hast du sogar schon einmal den Zeichentrickfilm „Bernard und Bianca,  ein Albatros startet durch“ gesehen (gibt’s auf YouTube). Lachend bejahte sie das. So, und jetzt stelle dir vor, DU bist dieser Albatros und schaue immer aus dem Fenster! Wenn du merkst, dass wir starten, stelle dir vor, wie anstrengend es für dich ist genügend Geschwindigkeit zum Abheben zu bekommen Lauf, lauf, lauf, so schnell du nur kannst und spüre die Erleichterung, wenn du endlich  Abheben kannst! 

Als wir abgehoben hatten schaute Ingy zu mir herüber und sagte nur, uff , das war aber schwer, bin ich froh, dass wir endlich in der Luft sind. Während des Fluges, wenn wir eine Kurve flogen, wies ich Ingy an, sich ebenfalls in Kurvenrichtung zu neigen und als Albatros mitzufliegen. Sie solle dabei die  Leichtigkeit und Eleganz ihres Fluges genießen.

Das Entspannte, ja fast verzückte Gesicht von Ingy bewies, dass sie diesen Flug wirklich genießen konnte. Wir näherten uns Stuttgart und unsere Landung stand bevor. Ich warnte Ingy, dass sie bei der Landung genauso, wie vorher beim Start so schnell als möglich rennen solle, denn sonst würde sie auf die Nase fallen, wie der Albatros im Zeichentrickfilm. 

Ingy sah  aufmerksam zum Fenster hinaus, wie der Boden immer näher kam. Beim Aufsetzen und abbremsen musste sie lauthals lachen. Mein lieber Scholli, ich bin kaum mitgekommen, so schnell musste ich rennen, um nicht auf die Gosch zu fallen! Sagte sie zu mir. Immer noch Lachend griente sie:Schade, dass wir schon am Boden sind, am liebsten würde ich gleich wieder zurückfliegen. 

 

Jedes Mal, wenn mich Menschen  darum baten,  Ihnen etwas gegen ihre  Flugangst an die Hand zu geben, erzählte ich Ihnen von dieser Methode und immer konnten die Betroffenen ihre Angst damit überwinden. Warum das so ist und immer wirkt, liegt an der häufigsten Ursache unserer Ängste: Machtlosigkeit und das Gefühl etwas, oder jemandem ausgeliefert zu sein

Mit der Vorstellung selber als Albatros zu fliegen, ändert sich die Wahrnehmung vom Passiven ins Aktive. Auch die Vorstellung des lustigen Zeichentrickfilms verleiht der ganzen Situation etwas spielerisches und verdrängt eventuell unbewusst aufkommende Gefühle von Zwang und Gefahr.